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Es ist fraglich, ob Bitcoin, Ethereum und andere Kryptowährungen als Lösung in der Bankenkrise geeignet sind


In den vergangenen Jahren gab es ein eindeutiges Muster an den Kryptomärkten: Wenn Aktien schwächelten, verloren auch Bitcoin, Ether und Co. an Wert. Der Grund: Bei nachgebenden Aktienkursen reduzierten Investoren ihre Risiken. Da Kryptowerte vor allem von institutionellen Anlegern als hochgradig riskant eingestuft werden, geriet diese Vermögensklasse regelmäßig unter die Räder, wenn es bei den Aktien schepperte.

Doch bei der jüngsten Börsenschwäche, ausgelöst durch den Zusammenbruch der Silicon Valley Bank in den USA und verstärkt durch den Beinahekollaps der Credit Suisse, wurde dieses Muster durchbrochen. Während der Dax seit dem 8. März, dem Tag vor dem US-Bankenbeben, um knapp 5 Prozent nachgab, legten die Kryptowährungen Bitcoin und Ether um 28 beziehungsweise 13 Prozent zu.

Kryptofans fühlen sich bestätigt

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Man könnte meinen, mit der neuerlichen Bankenkrise lebe das typische Narrativ von Kryptofans wieder auf, wonach das auf Zentralbankgeld basierende Bankensystem zum Scheitern verurteilt sei. Auch wenn derlei Ausführungen üblicherweise die Substanz fehlt: Den sich darin manifestierenden Glaubwürdigkeitsverlust für den Bankensektor sollte man ernstnehmen.

Tatsächlich ist es schwer zu vermitteln, dass nur 14 Jahre nach der Finanzkrise erneut Banken am Abgrund stehen und staatliche Hilfen mobilisiert werden, um das System zu stabilisieren. Viele Menschen fragen sich, was an Banken so besonders ist, dass der Staat sie stets mit Steuergeldern retten muss. Könnte ein dezentrales Kryptogeld das System stabiler und derartige Rettungsaktionen überflüssig machen?

Banken kommt als Finanzierer, Vermögensverwalter und Betreiber des Zahlungssystems eine zentrale Rolle in unserem Finanzsystem zu. Großbanken wird in der Regel zusätzlich eine Systemrelevanz zugesprochen, da im Falle einer Insolvenz sämtliche Schulden des Instituts von einem Tag auf den anderen fällig gestellt würden. Dies würde aufgrund der weltweiten Vernetzung mit nahezu allen Wirtschaftssektoren zu Kettenreaktionen führen. So hätten Unternehmen, die ihr Geld bei einer kollabierenden Bank angelegt haben, keinen Zugang mehr zu ihren Guthaben und könnten ihre Mitarbeiter nicht mehr bezahlen. Genau dies stand bei der Silicon Valley Bank zu befürchten. Auch die Kreditvergabe wäre eingeschränkt mit der Folge eines Einbruchs bei Investitionsausgaben. Dazu käme, dass Anleger angesichts des Verlusts ihrer Ersparnisse weniger konsumierten, es käme zu einer Abwärtsspirale aus sinkender Nachfrage und steigender Arbeitslosigkeit – ein Szenario wie bei der Weltwirtschaftskrise von 1929.

Eine Alternative zur Alternativlosigkeit?

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Die Rettung systemrelevanter Banken ist daher nach gängiger Auffassung alternativlos. Kryptoanhänger behaupten dagegen, blockchainbasierte  Konzepte böten eben doch eine Alternative. Eine genaue Vorstellung oder gar ein durchdachtes theoretisches Gebilde, wie diese konkret aussehen könnte, fehlt allerdings.

Die Grundidee besteht darin, staatliches Geld – nach Ansicht überzeugter Kryptofans die Wurzel allen Übels – durch Bitcoin zu ersetzen. Auf den ersten Blick liefe dies auf eine Art neuen Goldstandard hinaus: Im Goldstandard wurden die nationalen Währungen über einen festen Wechselkurs zu einer Unze Gold definiert. Jede nationale Währung konnte jederzeit zu diesem Kurs in Gold umgetauscht werden. Vielen Bitcoin-Anhänger schwebt jedoch vor, dass nationales Geld – und somit auch eine Umtauschgarantie – ganz verschwindet, Bitcoin sich als Recheneinheit durchsetzt und die Menschen Transaktionen direkt mit Bitcoin durchführen.

Das erscheint aus mehreren Gründen eher abwegig.

Bitcoin ersetzt die Zentralbank

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Direkte Bitcoin-Transaktionen sind problematisch, weil die Bitcoin-Blockchain lediglich fünf bis acht Transaktionen pro Sekunde verarbeiten kann – indiskutabel in einer Welt, in der täglich Milliarden von Geldgeschäften getätigt werden. Um die Skalierbarkeit zu erhöhen, könnten Intermediäre wie etwa Banken ein Buchgeld schaffen, das auf Bitcoin basiert. Die Zahlungen würden mit Bitcoin-Buchgeld durchgeführt, das Settlement könnte am Ende des Tages mit der Bitcoin-Blockchain passieren, statt wie heute üblich mit der Zentralbank.

Allerdings würde dies das Problem wiederkehrender Bankenkrisen nicht lösen, im Gegenteil: Banken würden sich in Bitcoin verschulden, es gäbe aber keinen Kreditgeber letzter Instanz mehr, sodass im Krisenfall Banken ungebremst in den Konkurs rauschen würden – zum Schaden der mit ihnen vernetzten Volkswirtschaften. Genau das passierte zu Zeiten des Goldstandards in den USA sogar dreimal.

Unzuverlässiges Netzwerk

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Eine zweite Möglichkeit, Bitcoin zum direkten Zahlungsmittel zu machen, sehen Bitcoin-Anhänger darin, über das sogenannte Lightning-Network die Skalierung von Bitcoin-Zahlungen zu erhöhen. Verkürzt gesagt, ist das Lightning-Network mit der Bitcoin-Blockchain verbunden, die einzelnen Transaktionen werden jedoch nicht auf der Blockchain abgewickelt. Gut durchdachte Smart Contracts sorgen dafür, dass die Teilnehmer im Regelfall keinen Anreiz dazu haben, die Blockchain in Anspruch zu nehmen. Im Ergebnis erhält man ein hochgradig skalierbares dezentrales Zahlungssystem, das nicht auf einzelne Institutionen wie etwa Banken angewiesen ist und im Übrigen auch wenig Energie verbraucht. Leider hat die Sache einen Haken: Lightning-Networks arbeiten nicht so zuverlässig, dass man es wagen sollte, größere Beträge über das Netzwerk zu verschicken. Ob sich das in Zukunft ändert, ist schwer einzuschätzen.

Ohne staatliches Geld ist Handlungsfähigkeit gefährdet

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Mit einem Bitcoin-Standard verzichtete der Staat auf seine monetäre Souveränität, was sich in Krisenzeiten als fataler Fehler erweisen dürfte. Wie hätten die Staaten beispielsweise die Bekämpfung der Wirtschaftskrise in der Corona-Pandemie und die Impfstoffe finanzieren sollen, wenn nur Bitcoin als Zahlungsmittel zur Verfügung gestanden hätte? Theoretisch hätten sich die Staaten zwar in Bitcoin verschulden können. Dies hätte jedoch die Zinsen nach oben getrieben und die Wirtschaft noch stärker in die Rezession getrieben. Möglicherweise wären Staaten zahlungsunfähig geworden und hätten ihre Handlungsfähigkeit verloren.

Überdies ergäben sich die gleichen Probleme, die der Goldstandard mit sich brachte – in verschärfter Form: Da der Wert von Bitcoin im Verhältnis zum durchschnittlichen Warenkorb noch stärker schwankt als Gold, würden sich mit Bitcoin als Zahlungsmittel inflationäre und deflationäre Phasen ablösen und zu erheblichen wohlfahrtsmindernden Konjunkturschwankungen führen. Längere Phasen hoher Arbeitslosigkeit wären zu erwarten.

Was den Bankensektor stabilisieren könnte

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Eine weitere These aus der Kryptowelt lautet, dass die Blockchain-Technologie in Form von Decentralized Finance (DeFi) die Finanzwelt sicherer machen könne, ohne dass die monetäre Souveränität des Staates infrage gestellt würde. DeFi steht für die Idee, ganze Geschäftsmodelle wie etwa Asset Manager oder Börsen durch einen auf der Blockchain programmierten Code (Smart Contract) abzubilden.

DeFi-Geschäftsmodelle sind derzeit eine kleine Nische, die keiner Bank ernsthaft Konkurrenz macht: Weltweit bewegt der Sektor etwa 0,25 Prozent des Geschäftsvolumens aller deutschen Banken. Dennoch haben DeFi-Geschäftsmodelle Features, die für sich gesehen den Finanzsektor sicherer machen könnten. Das mag irritierend klingen, da zuletzt zahlreiche Kryptofirmen zusammengebrochen sind und ihrerseits die Finanzwelt destabilisiert haben. Doch die kollabierten Anbieter wie die Kryptobörse FTX, die Kryptobank Celsius oder der Stablecoin Terra USD hatten eine Gemeinsamkeit: Alle waren Centralized-Finance-Modelle (CeFi), zentral gesteuerte und undurchsichtige Geschäftsmodelle.

DeFi-Strukturen sind grundlegend anders aufgebaut und transparent. Der Code der Smart Contracts ist für alle einsehbar, alle Transaktionen auf der von den meisten DeFi-Modellen genutzten Ethereum-Blockchain sind offen und nachvollziehbar, sodass Manipulationsversuche – anders als bei CeFi-Anwendungen – gut nachvollzogen und rasch entdeckt werden können.

e-Wertpapiere schaffen Vertrauen

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Eine Lösung für die aktuellen Probleme des Bankensektors bieten DeFi-Modelle natürlich nicht, doch ihre Vorteile sowie die Nutzung der Blockchain-Technologie könnten Anregungen für die derzeitigen Reformbemühungen geben. Warum räumen beispielsweise Kunden derzeit nicht nur ihre Einlagen, sondern auch ihre Depots bei Banken leer, denen sie nicht vertrauen? Weil das ungute Gefühl haben, dass ihre Bank sich der Wertpapiere bemächtigt, um Verluste an anderer Stelle zu stopfen, auch wenn dies gesetzlich untersagt ist und üblicherweise auch nicht vorkommt. Die Blockchain-Technologie hingegen würde es ermöglichen, Wertpapiere in tokenisierter Form zu verwahren. Die deutsche Aufsichtsbehörde Bafin hat diese e-Wertpapiere bereits 2021 zugelassen. Anleger könnten dann jederzeit auf der Blockchain nachschauen, ob ihre Wertpapiere noch da sind – und wären auch die einzigen, die diese veräußern könnten.

Denkt man in Zeitabschnitten von zwei oder drei Jahrzehnten, stellt sich die Frage, inwieweit einzelne DeFi-Anwendungen aufgrund von Netzwerkeffekten zu einem natürlichen Monopol tendieren. Dem steht entgegen, dass die bei DeFi-Anwendungen verwendete Software jedermann zugänglich ist und daher Konkurrenzprogramme jederzeit entstehen können. Diese Entwicklung ist schon heute zu beobachten.

Käme es dennoch zu einer Monopolisierung bestimmter Anwendungen, würde dies die Aufsichtsbehörden vor neue Herausforderungen stellen. Wir würden dann nicht mehr von systemrelevanten Banken sprechen. Sondern von systemrelevanten DeFi-Anwendungen.

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Author: Marie Moore

Last Updated: 1703107921

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